Rede von Wilfried Wildeboer

Rotenburger Gebet – Schöpfung bewahren
07. Oktober 2018 an der Versenkbohrstelle Sottrum Z 1
Wilfried Wildeboer:

Liebe Gemeinde, liebe Freundinnen und Freunde,
Wir stehen hier an der Versenkbohrstelle „Sottrum Z 1“, eine von vier aktiven im Landkreis Rotenburg. Betrieben wird diese Versenkbohrstelle von Exxon-Mobil.
Wozu dient und was ist eine Versenkbohrstelle?
Bei der Erdgasförderung, die im Landkreis Rotenburg sowie in den benachbarten Landkreisen betrieben wird, fällt in erheblichem Umfang sogenanntes „Lagerstättenwasser“ an, welches mit dem aus rd. 4.500 m Tiefe geförderten Erdgas an die Oberfläche gelangt.
Im Sprachgebrauch wird Lagerstättenwasser als „giftig“ bezeichnet. Dieses Lagerstättenwasser ist stark salzhaltig, enthält viele Schwermetalle wie Benzol, Chlorid und Quecksilber sowie radioaktive Substanzen. Wie und mit welchen Substanzen Lagerstättenwasser sich im einzelnen zusammensetzt, ist öffentlich nicht bekannt, da es keine Auflagen gibt, Analysen vor jeder Versenkung vorzunehmen.

Bei dieser Versenkbohrstelle handelt es sich um eine ursprüngliche Gasbohrstelle, die in ca. 800 m Tiefe rückzementiert wurde und in die seit 1991 Lagerstättenwasser verpreßt wird. Diese Art der Entsorgung wurde seinerzeit vom LBEG (Landesamt für Bergbau- und Energie) genehmigt und wird auch von dieser überwacht. Das Lagerstättenwasser kommt durch Anlieferung mit Tankfahrzeugen sowie mittels Leitungen , die in ca. 1,5 m Tiefe verlegt sind, aus umliegenden Gasbohrstellen Die Einpreßmenge wir mit täglich 140 cbm angegeben. Zum 31.12.2012 waren nach amtlichen Angaben rd. 930.000 cbm verpreßt, die Menge wird sich bis zum jetzigen Zeitpunkt rechnerisch auf 1.250.000 cbm erhöht haben. Das sind 1.250.000.000 (Milliarden) Liter.

Bei der geologischen Schicht in einer Tiefe von 800 m, dem sogenannten Ver-senkhorizont, handelt es sich um einen großporigen Kalkstein, dem sogenannten Kalkarenit. Die flächenhafte horizontale und vertikale Ausdehnung des giftigen Lagerstättenwassers und die exakten hydraulischen Randbedingungen eines durch eine Kalkarenit-Versenkbohrung genutzten Porenvolumens in der Erde ist in keiner Weise erforscht und mit den zur Verfügung stehenden verhältnismäßigen Mitteln nicht exakt beschreibbar. Genauere Angaben könnte das LBEG machen. Aus einer Anfrage geht hervor, dass vom LBEG auf der Grundlage aktueller Informationen ein dettailliertes geologische 3D-Strukturmodell des tieferen Untergrunds erstellt werden soll. Dabei ist auch geplant, den Kalkarenit hinsichtlich seiner räumlichen Verbrei-tung so detailliert wie möglich zu beschreiben. Uns ist nicht bekannt, wie sich das Lagerstättenwasser im Untergrund ausgebreitet hat.

Wie man seinerzeit den Stand der Technik bewertet hat, ist schwer nachzuvollziehen, sind doch Jahre später viele Störfälle aufgetreten. Erst seit einigen Jahren haben diese zu verstärkten Diskussionen über die Art der Entsorgung geführt. Diverse Umweltschäden entstanden dadurch, dass die bis 2010 das Lagerstättenwasser transportierenden Leitungen aus Kunstoff (GfK = glasfaserverstärktem Kunststoff) bestanden und Kohlenwasserstoffe,z.B. das nachweislich krebserregenden Benzol durch die Wandung diffundierten. Umfangreiche Sanierungsarbeiten des kontaminierten Erdreichs und aufwendige Grundwasserreinigungsarbeiten waren erforderlich. Umweltskandale wurden der breiten Öffentlichkeit verschwiegen und erst nach Medienrecherchen bekannt. Erst nach diesen Veröffentlichungen erließ das LBEG Ende 2010 die Anordnung, alle Rohrleitungen aus Kunststoff für Lagerstättenwasser zu verbieten und alle Kunststoffleitungen bei der Erdgasförungen in Niedersachsen durch Eignungsnachweise und Bodenproben auf Diffusion zu überprüfen. Die Industrie und auch die Überwachungsbehörde LBEG behaupteten zwar, diese Entsorgung sei sicher und gefährde nicht das Grundwasser, aber diese Argumentation war der Bevölkerung nicht mehr zu vermitteln.

Viele Resolutionen, u.a. in einem Beschluss des Gemeinderates Hassendorf forderten schon im Jahr 2013 eine unverzügliche Aussetzung der Verpressung von Lagerstättenwasser, solange aus eingespressten Flüssigkeiten Gefahren für Natur, Boden und vor allem für das Grundwasser ausgehen könnten. Gleichzeitig wurde ein Grundwassermonitoring analog am Bereich der Bohrstelle Bötersen Z 11 gefordert, nämlich entsprechende Grund-wassermessstellen einzurichten. Das ist nicht geschehen. Es wäre notwendig, mehr Informationen zu erhalten, um beurteilen zu können, ob wir wirklich schon auf einem Giftsee schwimmen, der sich unterirdisch evtl. weiter ausgebreitet haben könnte.

Aktuell werden in Niedersachsen auch Versenkbohrstellen auf Umweltbelastungen untersucht. So hat man bei Bodenproben im Oktober 2015 an dieser Versenkbohrstelle schädliche Bodenveränderungen entdeckt, die nach Auf-fassung des LBEG im Verantwortungsbereich der Erdgasgewinnung liegen. Als Rechtsfolge dieser Feststellung sind Detailuntersuchungen durchzuführen, auf deren Grundlage eine Gefährdungsabschätzung durchzuführen und ggf. eine Sanierungsplanung und die Sanierung selbst durchzuführen ist. Im Zuge der Detailuntersuchungen wird der Umfang der Bodenveränderung festgestellt und die Verusachung geklärt. Gleichzeitig sind Maßnahmen zur Verminderung und Minimierung der festgestellten Stofffreisetzungen zu treffen. Obwohl diese Tatsache seit fast 3 Jahren bekannt ist, konnte das LBEG uns auf Anfragen bisher keine Ergebnisse bekannt geben.

Die politischen Instanzen, namentlich die Bundesregierung, haben nur teilweise und spät reagiert und in einem Gesetzgebungsverfahren zur Erdgasförderung im Juni 2016 mit Wirkung vom 11. Februar 2017 diese Entsorgung noch mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren (also bis zum Februar 2022) genehmigt. Die Industrie muss bis dahin klären, ob das Lagerstättenwasser in die Tiefe von ca. 4.500 m gespresst werden kann, wo es her kommt, oder ob eine aufwendige Sanierung oberirdisch machbar und zweckmäßig ist.

Wir werden also noch mehrere Jahre mit dieser Versenkbohrstelle leben müssen. Es bleibt zu hoffen, dass die bisherige Entsorgung dann auch wirklich endet und zu späteren Zeiten keine Gefährdung des Grundwasser erfolgt.
Die Menschen in unserer Region müssen sich darauf verlassen können, auch zukünftig mit unbelastetem Grundwasser versorgt zu werden, aus dem wir unser Trinkwasser beziehen.

Nach dem Vorbild der Gorlebener Gebete, die im nächsten Jahr das 30-jährige Bestehen begehen und von vielen Institutionen anerkannt werden und maßgeblich dazu beitragen, den Widerstand gegen die Risiken der Atomindustrie wachzuhalten, haben wir auf Initiative der BI „Frack-loses Gasbohren“ den “Ökumenischen Arbeitskreis Rotenburger Gebete – Schöpfung bewahren“ gegründet, um auf die möglichen Gefahren der Erdgasindustrie hinzuweisen. Dies ist e i n Beitrag in unserer Region. Eventuell reicht das aber nicht und es muss zu einer noch viel größeren Bewegung werden. Am Hambacher Forst sehen wir, dass ein breiter Protest der Bevölkerung doch bewirkt, die verantwortlichen Politiker zum Umdenken zu bewegen. Wirtschaftsinteressen sind nicht alleine ausschlaggebend, wenn Natur und die Umwelt dabei Schaden leiden.