Ansprache Pastor Altebockwinkel

Sechstes Rotenburger Gebet am 04. November 2018
Bohrschlammgrube 
Auf dem Hollerberg, Hemslingen

Gitarrenvorspiel (Kyrie Lied)
Begrüßung
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zu unserem Rotenburger Gebet! Wir sind schon weit herumgekommen mit den Rotenburger Gebeten: Wir waren an Gasförderstellen, beim Betriebsgelände von Exxon in Bellen, bei Versenkbohrungen und haben gebetet und uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Heute setzen wir den Fokus auf etwas, das nicht mit der aktuellen, sondern mit der frühesten Gasförderung in unserer Region zu tun hat. Kontaminierter Bohrschlamm und anderer Abfall von Bohrungen wurden in der Pionierzeit häufiger in sogenannten Bohrschlammgruben versenkt. Davon gibt es in unserer Region leider noch einige und sie stehen im Verdacht unsere Umwelt und unsere Gesundheit bis heute zu gefährden.
An einer dieser Gruben befinden wir uns heute, hier an der ehemaligen Müllkippe und Bohrschlammgrube auf dem Hollerberg. Im Grunde sieht das ganz idyllisch aus, was wir vor uns liegen haben, und auch formell handelt es sich um eine schützenswerte Ausgleichsfläche. D.h. sie wurde einst als Ersatz für den Bebau einer anderen Fläche bestimmt.

Unter der Idylle allerdings befindet sich eine nicht gerade risikofreie Altlast. Vor etwa 50 Jahren diente diese Müllkippe für Hausmüll auch als Grube für allerlei Bohrabfälle aus Ahausen, wo damals nach Erdgas und Erdöl gebohrt wurde. Abfälle, die heutzutage eine ganz besondere Endlagerung erfordern, wurden über Jahre einfach hier versenkt. Birgit Brennecke aus Hemslingen, Vorsitzende des Ortsverbandes der Grünen der Samtgemeinde Bothel, wird uns gleich im Anschluss noch mehr Informationen dazu geben und sicher auch erläutern, wie groß das Gefährdungspotential etwa für das Grundwasser ist. Vielen Dank, dass Sie heute hier dabei sind! Vielen Dank auch an die Gitarrengruppe der Brockeler Kirchengemeinde für die musikalische Begleitung dieser Andacht!

Lasst uns beten:
Gott unser Schöpfer,
wir stehen vor den Altlasten einer anderen Generation und sorgen uns um die Gefahren, die davon ausgehen. Du kennst unsere Gedanken, vielleicht auch Gedanken der Trauer um Menschen, deren Tod wir mit diesen Altlasten in Verbindung bringen. Wir bitten dich, wende diese Sorge und diese Traurigkeit zu etwas positivem, zu neuer Energie, die uns antreibt, dich zu ehren und deine Schöpfung zu bewahren. Schenke uns jetzt eine gute gemeinsame Zeit und lass uns spüren, dass du da bist. Im Namen Jesu Christi. Amen

Rede Birgit Brenneke

Lied: Eine Hand voll Erde

Andacht
In der Bibel ist uns ein altes Sprichwort überliefert, das lautet: „Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf.“
Das scheint hier zuzutreffen. Unbedachtheit, Unwissen, sicher auch die Verlockung finanzieller oder anderweitiger Gefälligkeiten haben die Entscheidungsträger von damals dazu gebracht, hochgiftigen Müll vor der eigenen Haustür lagern zu lassen. Müll, der uns bis heute belastet. Es ist ungerecht, dass wir heutigen und nicht unsere Vorfahren die Folgen ihres Verhaltens tragen müssen.
Es widerspricht unserem aufgeklärten Verständnis von Schuld. Eigentlich darf doch nur derjenige, der dafür verantwortlich ist, bestraft werden. Warum sollten wir die Schuld unserer Vorfahren zu tragen haben, quasi als Erbschuld?
Faktisch ist es jedoch so und schon in der Vergangenheit war es immer wieder so, dass die Nachkommen für die Verschuldungen ihrer Vorfahren zu büßen hatten. In der Bibel wurde das teilweise sogar als göttliches Wirken gedeutet. Im Rahmen der 10 Gebote im Alten Testament heißt es: „ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied“
Wir büßen heute für die Verfehlung unserer Vorfahren, wie damals so auch heute. Gleichzeitig stellt sich für mich die Frage: Für welche unserer Verfehlungen werden eigentlich unsere Nachfahren büßen müssen? Auch da würde mir eine ganze Menge einfallen. Die Weltmeere sind mit Mikroplastik verschmutzt, wir fahren immer noch mit fossilen Brennstoffen, wir produzieren immer noch massenhaft radioaktiven Müll durch unsere Atomkraftwerke. Auch unsere jetzige Lebensweise geht auf Kosten unserer Nachkommen.
Es geht mir dabei nicht darum allen ein schlechtes Gewissen zu machen für Umstände, für die wir als einzelne gar nichts können. Die Schuld der Vorfahren bleibt die Schuld der Vorfahren und ist nicht automatisch auch unsere Schuld. Und doch haben wir, gerade als Christenmenschen, die Aufgabe gegen Ungerechtigkeit aufzustehen und den Menschen, die in Verantwortung sind, ein schlechtes Gewissen zu sein. Allein mögen wir nur ein kleines Rad im Getriebe sein, aber gemeinsam erreicht man viel. Und wir haben wir dabei noch einen mächtigen Verbündeten, der uns ermutigt auch gegen übermächtig erscheinende Strukturen anzugehen.
Denn, die Heimsuchung Gottes bis ins dritte und vierte Glied, die ich anfangs erwähnt habe, ist nicht die ganze Wahrheit. Direkt danach heißt es in den Zehn Geboten, dass Gott „Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“
Und ein Prophet mit Namen Jeremia macht an anderer Stelle deutlich, dass die Weitergabe von Schuld an Unschuldige nicht in Gottes Sinne ist. Eigentlich soll keiner für die Verfehlung eines anderen leiden müssen. Im Zusammenhang gelesen heißt es beim Propheten Jeremia:
Zu derselben Zeit wird man nicht mehr sagen: »Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf«,
30 sondern ein jeder wird um seiner eigenen Schuld willen sterben, und wer saure Trauben isst, dem werden die Zähne stumpf.

Es ist nicht richtig, dass wir wegen der Schuld anderer leiden, vielleicht sogar sterben müssen. Es ist nicht richtig, dass hier Altlasten einer anderen Generation liegen, die wir heute auszubaden haben. Gott will nicht, dass wir darunter leiden und ich möchte die Verheißung des Jeremia gerne auch auf uns übertragen. Eines Tages wird man nicht mehr sagen: „Die Väter haben giftigen Müll versenkt und die Kinder müssen dafür mit ihrer Gesundheit bezahlen.“ Nein, man wird sagen: „Die Väter haben giftigen Müll beseitigt, damit die Kinder NICHT mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen.“
Verheißungen sind keine Aufforderungen, die Hände in den Schoß zu legen und auf Gottes wundersames Eingreifen zu warten. Schon immer realisierte Gott seine Verheißungen durch Menschen, die er dazu berufen hat, seinen Willen auf Erden umzusetzen.
Insofern ist für mich mit der Verheißung ein klarer Auftrag verbunden. Wir müssen heute alles dafür tun, die sauren Trauben unserer Vorfahren so gut wie es geht unschädlich zu machen und dafür zu kämpfen, dass Bohrschlammgruben wie diese hier nicht dazu führen, dass auch unseren Kindern davon die Zähne stumpf werden. Amen.

Lied: Vertraut den neuen Wegen

Fürbitten:
Großer Gott,
wir stehen hier vor giftigem Boden, den unsere Vorfahren uns hinterlassen haben. Wir spüren, wie ungerecht und falsch sich das anfühlt für etwas zu leiden, für das wir nichts können. Gleichzeitig sehen wir unsere Verstricktheit in Zusammenhänge, die unseren Nachfahren dasselbe Gefühl bescheren werden. Wir bringen dir unseren Ärger und unsere Ohnmacht und bitten dich, dass du uns befreist und uns hilfst der nachfolgenden Generation Segensspuren statt Altlasten zu hinterlassen. Gemeinsam rufen wir: Herr, erbarme dich.
Barmherziger Gott,
du vergibst uns unsere Schuld und kannst machen, dass die Schuld unserer Vorfahren nicht weiter auf uns lastet. Schenke uns Hoffnung und Mut an deiner Verheißung mitzuwirken, dass man eines Tages nicht mehr sagen wird: Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf. Gemeinsam rufen wir: Herr, erbarme dich.
Mitfühlender Gott,
du hast dich in Jesus Christus mit uns auf Augenhöhe begeben. Du hast das menschliche Leid in seinem vollen Ausmaß mitgetragen. Schenke all jenen Trost, die an Krebs leiden, oder anderweitig erkrankt sind. Schenke ihnen Zuversicht und Vertrauen, dass wir immer und überall mit dir und deinem kraftvollen Geist verbunden sind. Gemeinsam rufen wir: Herr, erbarme dich.

Vater Unser
Segen