Rotenburger Gebete – Ansprachen

Grapenmühlen 02.09.18, 14.30 Uhr
Ansprache von Pastor Klaus Priesmeier:

„Ich mach doch nur meinen Job.“ Schon mal gehört? Oder so: „Die machen doch auch nur ihren Job.“ Wie der LKW-Fahrer, der mich Donnerstag hier schon von Weitem mit reichlich Lichthupe aus der Einfahrt vertrieb, um auf das Gelände zu fahren. Oder wie der nette Mitarbeiter der DEA, der uns erlaubte, auf dies von seinem Unternehmen gepachtete Gelände zu gehen, um uns jetzt hier zu versammeln. Machen alle ihren Job. Den kann man nun so oder so machen. Aber das hat natürlich eine bestimmte Tönung, wenn man sagt: die machen doch auch nur ihren Job. Sprich: was willst du anderes erwarten, die tun doch nur, was man von ihnen erwartet. Und genau dafür werden sie doch bezahlt. Davon und – darf man das sagen? – dafür leben die. Damit sie auch gut leben können. Was ja nicht unbedingt heißt, gut zu leben, sondern eben dies: sich ein gutes Leben leisten können. Durchkommen. Erfolgreich sein. Nicht angefochten werden. Es läuft. Sagen meine Freunde bestenfalls auch, wenn ich frage, wie´s geht: Läuft.

„Die machen doch nur ihren Job“, lese ich in einem Kommentar in unserer Regionalzeitung. Es geht um das neue Polizeigesetz, es könnte aber auch ein anderes Thema sein. Und es läuft immer auf dies hinaus: die spielen doch alle nur die Rollen, die man von ihnen erwartet. Erwartest du im Ernst etwas anderes? Und dann weiß man eigentlich schon vorher, wer wie was tönen oder tun wird oder eben auch nicht. Und ich bekomme mal wieder das Gefühl: alles nur ein Spiel. It´s just a game. Spielst du mit? Dann läuft es auch bei dir. Und wenn nicht – meinst du doch aber nicht wirklich, oder? Machen doch alle. Machen alle nur ihren Job.

Machen ihren Job, damit´s läuft. Und bei ihnen was hängen bleibt vom Erfolg, vom Silber und Gold, vom Glanz und Vergnügen und ein wenig Sicherheit. Sagt man aber nicht. Man sagt, es gibt doch Bedarf. Man sagt, das bringt Wachstum. Man sagt, das schafft Arbeitsplätze. Man sagt, Qualitätsstandards haben wir auch. Wir wollen doch gut sein. Ja, gut. Das sind wir doch, oder?

Im Psalm 115 lese ich: Unser Gott ist im Himmel; er kann schaffen, was er will. Die Götzen der Heiden aber sind Silber und Gold, von Menschenhänden gemacht. Sie haben einen Mund und reden nicht, sie haben Augen und sehen nicht, sie haben Ohren und hören nicht, sie haben Nasen und riechen nicht, sie haben Hände und greifen nicht, Füße haben sie und gehen nicht und kein Laut kommt aus ihrer Kehle. Die solche Götzen machen, werden ihnen gleich, alle, die auf sie vertrauen. Aber Israel hoffe auf den HERRN! Er ist ihre Hilfe und Schild.

Juden, auch Christen, warf man vor: ihr seid Atheisten. Ihr habt gar keinen Gott. Eure Kirchen und Synagogen sind leer – da stehen gar keine Götterbilder. Wo andere zumindest ein Symbol dafür bieten, wen oder was sie anbeten, ist bei euch – nichts. Ein Allerheiligstes – aber was ist denn da drin? Ein Abendmahlstisch – aber was passiert denn da? Die anderen Kulte, die zeigen, was sie anbeten. Aber ihr?

Diese Psalmworte sind dazu gewissermaßen die Gegenrede. Die Gegenrede, die behauptet: diese Götter machen ihren Job nicht. Sie sind ja tot. Sie glänzen vor lauter Gold und Silber. Doch ihren Mund tun sie nicht auf, ihre Augen sehen nicht, ihre Ohren hören nicht, ihre Nasen riechen nicht, ihre Hände greifen nicht, ihre Füße gehen nicht, und kein Laut kommt aus ihrer Kehle. Sie sind tot. Und die auf solche Götzen vertrauen, die werden ihnen gleich. Soll das heißen: die sind auch so wirkungslos und wie tot?

Ihr Leben scheint erfolgreich. Sie sammeln Silber und Gold. Ihre Münder leuchten im Lippenstiftrot, ihre Augen tragen den Glanz aktueller Kosmetik. Ihre Ohren sind voller Schmuck, ihre Nasen ziert als letzter Schrei ein Ring, ihre Hände sind gut gepflegt, ihre Füße gehen da, wo alle gehen – tun sie doch, machen doch alle, oder? – und aus ihrem Mund kommt das, was alle reden. Und sie sagen: die machen doch alle nur ihren Job. Und die auf all das vertrauen, die werden den toten Götzen gleich. Denn auch wenn sie ein gutes Leben haben, so wie es glänzt und tönt, so sind sie darin doch zugleich wie tot. Sie machen nur ihren Job. Sie tun, was man – wer ist das? – von ihnen erwartet. Läuft doch. Erwartest du anderes? Machen doch nur ihren Job…

Und du denkst, du hast ein gutes Leben. Kriegst ein bisschen ab vom Silber und Gold. Fühlst dich, jedenfalls ein wenig, sicher. Und Gott ist im Himmel; was will er mir denn? Kann er schaffen, was er will? Weiß nicht – aber mein Geld auf dem Konto, das weiß ich. Wie sollte mein Mund reden, was wahr ist, und die Augen sehen, was auch wirklich ist, was ich aber gar nicht so gerne sehe. Und hören will ich nur das, was mir gefällt. Und rieche schon längst nicht mehr, was zum Himmel stinkt. Muss ja meinen Job machen. Und meine Hände können nicht mehr so gut greifen, was Not täte. Meine Füße – sind sie schon stehen geblieben und regen sich nicht mehr?

Und kein Laut kommt aus meiner Kehle. Er könnte das stören, das gute Leben, das ich haben will. Nur manchmal erschrecke ich und denke: gut leben, das ist mir darüber verloren gegangen. Wie heißt es doch da im Psalm?

Die solche Götzen machen, werden ihnen gleich, alle, die auf sie vertrauen. Die werden wie tot. Sie haben ein gutes Leben, sie finden Beachtung und es läuft. Nur sie selber laufen gar nicht mehr. Sind schon wie tot bei lebendigem Leib. Sollte ich jetzt vielleicht erschrecken? Aufhören mit diesem Spiel – es ist ja gar kein Spiel, es ist mein Leben, es ist das Leben dieser Erde in dieser Welt. Es ist das Leben selbst.

Ich will doch nur ein gutes Leben haben. Und dazu meinen Job. Ich mache doch nur meinen Job. Oder?

„Aber Israel hoffe auf den HERRN! Er ist ihre Hilfe und Schild.“ Nicht der Job, nicht Silber und Gold. Nicht das gute Leben, sondern: gut leben. Vor und mit ihm, dem Ursprung und Hüter des Lebens. Und mit allem Lebendigen, mit dem zusammen ich doch nur Leben habe und teile. Aufleben und nicht: tot gehen.

Einen Psalm weiter, 116,15, lese ich: „Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem Herrn.“ Und Heilige, das sind hier nicht besonders fromme und moralisch gute Menschen, es sind die, die die Lebendigkeit spiegeln, zu der Gott sie schuf. Und den Blick zurück auf Gott und hin auf das Ganze. Die sollen in Gott leben. Das ist Leben. Und nicht einfach der Job und Urlaub und Rente. Und es gut haben.

Mir graut vor einem Leben, in dem ich nur meinen Job mache. Mir graut vor einem toten Leben. Jesus sagt: Gott ist ein Gott der Lebendigen. Die hören und sehen und tönen und bewegen sich. Und er schafft, was er will. Und er schafft das auch mit uns und durch uns, seine Menschen. Und das sollen wir dann auch im Blick haben und in unseren Händen. Nicht nur den Job machen und ein gutes Leben haben sondern gut leben und lebendig sein. Das wäre was. Amen.

 

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